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23.Jun.2014



Buchbesprechung: Petro Tyschtschenkos "Meine Erinnerungen..."
Mehr als ein Jahrzehnt hat Petro Tyschtschenko die Idee mit sich herum getragen, seine Erlebnisse als Commodore- und Amiga-Manager nieder zu schreiben - seit zwei Wochen ist das Ergebnis jetzt lieferbar. Der Autor hat amiga-news.de freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

"Meine Erinnerungen an Commodore und Amiga" ist ein Taschenbuch im Format A5, es hat einen Umfang von 200 Seiten mit 100 Abbildungen. Den meisten Platz nimmt mit 140 Seiten Tyschtschenkos Biographie ein, dann wird auf sieben Seiten im "Epilog" Co-Autor Patrick Klöter vorgestellt und die Entstehung des Buchs beschrieben. Den Abschluss bildet ein Anhang, der auf 45 Seiten mit Commodore-Statistiken, internen Memos und Diagrammen aus Tyschtschenkos privatem Archiv den Alltag bei Commodore Deutschland zu illustrieren versucht.



Unsere Ausgabe enthält eine persönliche Widmung. Hier scheint es sich nicht um einen speziellen Service für "die Presse" zu handeln - auch andere Käufer, die direkt beim Autor beziehen, berichten von signierten Exemplaren.

Die vor einem guten Jahr veröffentlichte Leseprobe (Kopie bei archive.org) - die im Buch um 9 Abbildungen ergänzt wird und dann rund 10 Seiten füllt - gibt den sprachlichen Stil, der in "Meine Erinnerungen" vorherrscht, sehr gut wieder. Man könnte ihn wohl am Besten als "Petro erzählt" beschreiben: Umgangssprachlich, leicht zu lesen, inhaltlich manchmal ein kleines bisschen sprunghaft. Glücklicherweise wurden die zahlreichen Grammatik- und Layout-Fehler der Leseprobe bis zum Druck größtenteils ausgemerzt: Uns sind bei der Lektüre des Buchs lediglich noch an vier oder fünf Stellen fehlende Satzteile oder doppelt gedruckte Wörter aufgefallen.

Inhaltlich beschreibt der Autor zunächst auf wenigen Seiten seinen beruflichen Werdegang vor dem Wechsel zu Commodore, sowie die Entwicklung des Unternehmens vor Tyschtschenkos Einstellung. Für die Jahre bis zum Konkurs werden dann einige größere Themen herausgegriffen: die Europa-Premiere des Amiga, der Aufbau neuer Logistik-Zentren, Mehdi Ali... Ab 1993 geht es dann wieder in chronologischer Reihenfolge um ESCOM, Viscorp, Gateway, Amino und die Zeit nach dem Ausstieg bei Amiga - auch die Rückverschiffung indischer Amiga-Lagerbestände nach Europa in den letzten Jahren wird noch kurz beschrieben.

"Meine Erinnerungen" ist keine historische Abhandlung, sondern vom Autor stets als Biographie beworben worden. Kritische Anmerkungen zu Tyschtschenkos Entscheidungen oder seinem Führungsstil sollte also niemand erwarten. Leider bleiben trotz des "Biographie"-Etiketts auch tiefere Einblicke ins Seelenleben oder die Motivation des Protagonisten aus - das fortgesetzte Engagement im Amiga-Bereich wird beispielsweise lapidar mit der "Liebe zum Amiga" begründet, was ein bisschen nach reinem Marketing klingt und bei einem Familienvater auch kaum die einzige Begründung für die Wahl seines Arbeitgebers sein dürfte.

Richtig interessant wird es dagegen immer dann, wenn der Autor über "seine" Themen spricht: Logistik, Organisation, Gewinnmargen - das ist Petro Tyschtschenkos Welt. Hier zeichnet der ehemalige Chef der Verwaltung von Commodore Deutschland und spätere "Logistikdirektor Europa" das interessante Bild eines Unternehmens, das viel zu schnell zu einem Global Player und Marktführer geworden war und nun zügig die internen Strukturen und die Logistik und Produktion an die gewachsene eigene Bedeutung anpassen musste - bis es dann innerhalb von nur einem Jahr zum Zusammenbruch kommt.

Die Beschreibung der Probleme in der Produktion, Mehdi Alis Versuche Commodore oder zumindest Teile der Technologie nach Asien zu verkaufen, ESCOMs Schwierigkeiten nach der Übernahme und die Entwicklung Indiens als Absatzmarkt in den Neunziger Jahren: Es gibt zahlreiche solcher Abschnitte, in denen der Leser zwar keine bahnbrechenden Neuigkeiten erfährt aber viele interessante Einblicke erhält. Manchmal würde man sich allerdings ein bisschen mehr Details wünschen: Auf sechs Seiten die Büttenrede Tyschtschenkos von einer Commodore-Faschingsfeier abzudrucken hat zwar Charme, aber viel lieber hätten wir noch etwas über die Intrigen in der Firma erfahren, die der Autor zwar mehrfach erwähnt aber nie erläutert.

Tyschtschenkos Ausführungen sind zwar immer sehr subjektiv - beispielsweise wenn der Autor sein Unverständnis über die Abneigung der Commodore-Fans gegen Mehdi Ali äußert, dann aber in den nächsten Absätzen Mehdi Ali als einen offenbar reichlich unsympathischen Zeitgenossen beschreibt - aber sie sind eben auch fundiert. Und als Leser bekommt man erstmals eine Perspektive geboten, die bisher in Rückblicken auf Commodore eher zu kurz kam: nämlich die eines europäischen Top-Managers.

Unser Fazit: Ein Pflichtkauf ist "Meine Erinnerungen..." nicht, dazu erfährt man zu wenig über die Person Tyschtschenko und die ganz großen Antworten und revolutionären Erkenntnisse kann auch "Papa Petro" nicht liefern. Wer aber auch an subjektiven Erlebnisberichten wie Rainer Bendas Der Commodore-Untergang aus meiner Sicht seinen Spaß hat oder sich für Eindrücke von Commodores "Innenleben" interessiert, kann beruhigt zugreifen: Es gibt viele neue Details und nette Anekdoten und alleine die Tatsache dass Commodore (oder zumindest die europäischen Ableger) mal nicht als durchweg inkompetente Ausgeburt der Hölle beschrieben wird, ist ein kleines "Aha"-Erlebnis.

"Meine Erinnerungen an Commodore und Amiga" ist für 24,90 Euro zzgl. Porto direkt beim Autor oder bei diversen Amiga-Händlern verfügbar. In Kürze kann es auch von Amazon bezogen werden. (cg)

[Meldung: 23. Jun. 2014, 16:51] [Kommentare: 16 - 13. Apr. 2015, 16:46]
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