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17.Mär.2004



Der Rechtsstreit zwischen Thendic/Genesi und Amiga Inc. (Update)
Nach dem Urteilsspruch in der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Thendic/Genesi und Amiga Inc. (wir berichteten) sind inzwischen weitere Anträge beider Parteien eingegangen, in der eine nachträgliche Modifizierung des ergangenen Urteils diskutiert wird.

Um die inzwischen recht unübersichtliche Situation rund um das Verfahren etwas überschaubarer zu gestalten, haben wir den bisherigen Verlauf noch einmal zusammengefasst. Wenn Sie nur an den seit unserer letzten Meldung neu hinzugekommenen Entwicklungen interessiert sind, können Sie auch direkt zum Abschnitt "Der weitere Verlauf" springen und sich dort über die neuesten Ereignisse informieren.

Vorgeschichte

Im November 2000 unterzeichnen Amiga Inc. und "Thendic Electronic Components GmbH" (im Folgenden "Thendic") einen Lizenzvertrag bezüglich AmigaDE. Thendic Electronic Components ist eine deutsche Tochtergesellschaft von "Pretory USA", der Holding, zu der auch die französische Pretory SA und deren Tochtergesellschaft Thendic France gehören.

In dem Vertrag verpflichtet sich Amiga, ihr "AmigaDE" auf verschiedene von Thendic geplante Geräte zu portieren. Thendic wird für jedes mit AmigaDE ausgelieferte Gerät eine Lizenzgebühr von 4,50 USD zahlen, im Gegenzug erhält Thendic das Recht, mit den Amiga Logos für seine Produkte zu werben. Die im Vertrag namentlich aufgeführten Geräte (Cashboy, MobiCash, Transponder, Cashboy@Home und Smartboy) wurden nie in Serie produziert.

In der Folgezeit stellt sich heraus, dass über mehrere Kernpunkte des Vertrags zwischen den unterzeichnenden Parteien keine Einigkeit besteht. Dabei kristallisieren sich drei Punkte als besonders umstritten heraus:

1. Die von Amiga zu unterstützenden Geräte

Der Vertrag nennt zwar die zu unterstützenden Geräte, enthält jedoch eine Klausel, die es Thendic ermöglicht, "dieser Liste mit der Zustimmung Amigas neue Geräte hinzuzufügen". Amiga verpflichtet sich, "diese Zustimmung nicht ohne gewichtige Gründe zu verweigern". Nach der Markteinführung des Pegasos fordert Thendic mit Hinweis auf diese Vertragsklausel eine AmigaDE-Portierung für den PPC-Rechner. Amiga Inc. verweigert diese Portierung, woraufhin Thendic im Februar 2003 Klage gegen Amiga erhebt.

Nachdem beide Parteien eine Reihe von schriftlichen Anträgen eingereicht haben, beantragen Amigas Rechtsanwälte im September 2003 von ihrem Mandat entbunden zu werden - die Gründe für diesen Antrag sind uns nicht bekannt. Der Richter gibt dem Begehren am 30. September statt, damit verlieren Amiga ihren Rechtsbeistand. Nach amerikanischem Recht ist das Unternehmen jedoch verpflichtet, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, weswegen der Richter ihnen mehrfach eine Frist setzt, bis zu der sie neue Rechtsanwälte vorzuweisen haben.

Nachdem dies Amiga Inc. nicht gelingt, fällt der Richter am 20. Februar 2004 das Urteil. Da Amigas Standpunkt nur durch Anwälte rechtswirksam vertreten werden kann, kann sich der Richter bei seiner Urteilsfindung nur der von Thendic vorgebrachten Argumente bedienen ("In light of defendant's failure to participate..."). Er schließt sich Thendics Sichtweise an, nach der auch der Pegasos zu den von Amiga zu unterstützenden Geräten gehöre. Amiga wird zur Vertragserfüllung ("specific performance") verurteilt und muss dem Kläger innerhalb von 30 Tagen AmigaDE zugänglich machen, damit dieser es in den Pegasos integrieren kann.

2. Ist Genesi ebenfalls Vertragspartner?

Der zwischen Amiga und Thendic geschlossene Vertrag beschreibt die Thendic gewährten Rechte als "nicht übertragbar" ("nontransferable"), gilt jedoch für "Thendic und alle angeschlossenen bzw. verwandten Unternehmen oder Tochtergesellschaften".

Am 18. Februar 2003 beantragen Thendics Anwälte, Genesi Sarl als weiteren Kläger zuzulassen, da das Unternehmen nach eben dieser Definition zu den Vertragspartnern gehöre. Genauere Angaben über die Beziehung zwischen Genesi und Thendic werden nicht gemacht.

In einer Stellungnahme zu diesem Antrag gibt Amiga an, dass man nicht über ausreichende Kenntnisse der Beziehung zwischen Thendic und Genesi verfüge, um diese Behauptung beurteilen zu können und Genesi deswegen nicht als Vertragspartner betrachte.

Eine Antwort des Richters auf die beiden Anträge ist in den uns zugänglichen Unterlagen nicht zu finden, im Urteil wird jedoch von "den Klägern" gesprochen - ob das einer Bestätigung von Genesis Standpunkt gleichkommt, entzieht sich unserer Kenntnis.

3. Über welche Amiga-Warenzeichen darf Thendic/Genesi verfügen?

Im Vertrag wird festgelegt, dass Thendic die Amiga Warenzeichen ohne vorherige Zustimmung Amigas zu Werbezwecken auf ihrer Webseite, ihren Produkten, Verpackungen und in ihrem Werbematerial benutzen darf. Die "Amiga Warenzeichen" werden in Abschnitt 3.1 definiert als "alle Warenzeichen, Logos oder Handelsnamen, die Amiga gehören und mit AmigaDE zu tun haben". Zusätzlich wird jedoch auf Anhang D hingewiesen, in dem die genaue Handhabung weiter definiert werde.

In Anhang C (Anhang D existiert nicht), wird dann tatsächlich noch einmal die "Benutzung der Amiga Warenzeichen" geregelt. Hier wird "Amiga Warenzeichen" jedoch definiert als "das 'Powered by Amiga' Logo, das 'Amiga' Logo, der Amiga Boingball und alle weiteren Amiga Warenzeichen, an denen Amiga die Rechte besitzt". Welche der beiden sich offensichtlich widersprechenden Definitionen rechtsgültig ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

Auch die Verwendung der Warenzeichen ist hier nochmals genau aufgeschlüsselt und stimmt mit den bereits im Haupttext erläuterten Verwendungszwecken überein. Allerdings wurde dieser Abschnitt mit einer handschriftlichen Ergänzung versehen, die die Verwendung mit folgenden Worten einschränkt: "Nur in Verbindung mit AmigaDE-Produkten und nur nach Genehmigung durch Amiga". Auch die Gültigkeit dieses Zusatzes können wir nicht beurteilen, in der uns vorliegenden Fassung des Vertrages wurde der Zusatz nur von Bill McEwen abgezeichnet.

Dass beide Parteien diesen Aspekt des Vertrages ebenfalls unterschiedlich interpretieren, ergibt sich beispielsweise aus der von Genesi bereits angedeuteten geplanten Verwendung der Amiga Warenzeichen und dem kürzlich bekanntgewordenen Verkauf aller AmigaOS-Rechte - inklusive der für das Betriebssystem relevanten Warenzeichen - an KMOS Inc. Da dieser Aspekt des Vertrages bisher nicht Gegenstand der Verhandlung war, steht eine endgültige Klärung noch aus.

Der weitere Verlauf

Amiga Inc. können - sofern sie wieder anwaltlichen Beistand vorweisen können - gegen das ergangene Urteil innerhalb von 30 Tagen Berufung einlegen, was jedoch unseren Informationen zufolge bisher noch nicht geschehen ist.

In der Zwischenzeit haben jedoch die Anwälte von Thendic/Genesi eine Modifizierung des ergangenen Urteilsspruchs beantragt. Der Richter soll nicht nur Zugang zu AmigaDE sondern zu "jeglicher Dokumentation, allen Quellcodes, allen Objectcodes, allem daraus abgeleiteten Code, allen Erweiterungen und Verbesserungen, allen Updates und Upgrades" gewähren. Dabei betrachtet man offensichtlich auch AmigaOS 4 als "Upgrade" zu AmigaDE, diese Sichtweise soll durch Screenshots von diversen Veröffentlichungen auf Amigas Webseite und einer angeblich von Fleecy Moss verfassten E-Mail untermauert werden.

Am 15. März nehmen Amiga Inc. - die inzwischen wieder über Anwälte verfügen - ausführlich zu diesem Antrag Stellung. Sie bestreiten, dass der Kläger irgendwelchen Anspruch auf Bereitstellung von Quellcodes hätte und verweisen auf entsprechende Klauseln im Vertrag.

Durch Aussagen von Fleecy Moss, Bill McEwen, Ray A. Akey (Amiga Inc.), Garry Hare (KMOS Inc.) und Francis Charig (TAO) versucht Amiga dann weitere angebliche Ungereimtheiten anzusprechen. Beispielsweise sei Thendic bzw. Bill Buck nicht unter der angegeben Adresse zu erreichen und die angebliche von Fleecy Moss stammende E-Mail sei gefälscht, was der Kläger eigentlich hätte wissen müssen. Außerdem werden Bill Bucks Beiträge in diversen Diskussionsforen angeführt, um zu belegen, dass er durch seinen Antrag auf Änderung des Urteils mehr zu erreichen suche, als ihm gemäß Vertrag zustehen würde.

Update: (18.03.04, 20:00, cg)

Wie erst heute bekannt wurde, hat der Richter bereits am 12. März - also bevor Amiga ihre Stellungnahme überhaupt eingereicht hatten - über Genesis Antrag zur Modifizierung des Urteils entschieden.

Dem Antrag wird in Teilen stattgegeben, eine Formulierung des ursprünglichen Urteils wird erweitert: Amiga soll den Klägern jetzt nicht nur "Zugang zum DE Betriebssystem gewähren, damit diese es in den Pegasos integrieren können", sondern "Zugang zum DE Betriebssystem sowie allen Verbesserungen, Updates, Upgrades und Unterlagen, die zu diesem System gehören". Die von Genesi ebenfalls geforderte Bereitstellung von Quellcodes wurde nicht mit in das Urteil aufgenommen.

Genesis Darstellung, dass der ursprüngliche Vertrag ihnen auch den Zugriff auf AmigaOS 4 ermöglicht, schließt sich der Richter jedoch nicht an. Dieser Teil des Antrages wird vom Richter als "Versuch, den Lizenzvertrag umzuschreiben" gewertet und demzufolge abgelehnt.

In einem Thread auf Morphzone.org deuten Bill Buck und Raquel Velasco ("BBRV") an, dass man keine weiteren Schritte bezüglich des Gerichtsverfahrens plane. (cg)

[Meldung: 17. Mär. 2004, 20:33] [Kommentare: 99 - 22. Mär. 2004, 12:05]
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